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Thursday, August 22, 2019

Management Interview

Dr. Jens Gerhardt

Vorstandssprecher
Vorstandssprecher
HanseYachts AG

HanseYachts: „Der ideale Zeitpunkt für den Kauf“

Mit der Übernahme des französischen Luxus-Katamaran-Herstellers Privilège Marine SAS kommt die HanseYachts AG ihrem mittelfristigen Umsatzziel von 200 Mio. Euro einen bedeutenden Schritt näher. „Der Katamaran-Markt ist das derzeit am stärksten wachsende Segment im Yacht-Geschäft und das wird nach unserer Einschätzung auch so bleiben. Privilège ist weltweit in Preis und Qualität die Nummer eins“, erklärt Dr. Jens Gerhardt, CEO der HanseYachts AG, im Gespräch mit Financial.de. Zudem sei der Privilège-Deal ein wichtiger Faktor beim Erreichen der mittelfristigen EBITDA-Zielmarge von 10 bis 12 Prozent: „Luxusprodukte haben tendenziell höhere Margen und die angesprochenen Skaleneffekte versprechen eine weitere Erhöhung unserer Profitabilität.“
Financial.de sprach mit Konzernlenker Dr. Gerhardt zudem über die aktuellsten Trends im Yacht-Geschäft, die laufende Barkapitalerhöhung und die Weltpremieren der HanseGroup auf dem Yachting Festival in Cannes.

Financial.de: Herr Dr. Gerhardt, HanseYachts hat den Luxus-Katamaran-Hersteller Privilège vom Großaktionär AURELIUS erworben. Wie passt Privilège in Ihr Portfolio?

Dr. Gerhardt: Privilège passt für HanseYachts dreifach gut:
Erstens ist der Katamaran-Markt das derzeit am stärksten wachsende Segment im Yacht-Geschäft und das wird nach unserer Einschätzung auch so bleiben, denn die Kunden wollen zunehmend mehr Platz und auch mehr Luxus auf dem Wasser. Unsere 74 Fuß Privilège hat zum Beispiel fast 300 Quadratmeter Wohnraum, das spricht für sich selbst.
Zweitens ist Privilège unter den Katamaran-Herstellern als Top-Luxus-Brand hervorragend positioniert, weltweit in Preis und Qualität die Nummer eins. Das passt zu erfolgreichen Repositionierungen, die wir auch bei anderen Marken nach der Übernahme schon vollzogen haben. Kunden wollen heute weder selbst schrauben noch auf besondere Extras verzichten. Dies ist ein Trend, der sich nicht mehr umkehren lässt, und der uns zusätzliche Umsatz- und Ergebnisimpulse liefert.

Financial.de: Und Punkt 3?

Dr. Gerhardt: Punkt 3 ist die mit der Privilège-Übernahme verbundene perspektivische Erweiterung unserer Kapazität um ein Umsatzvolumen von ca. 30 Mio. Euro. Wir sind in den vergangenen acht Jahren jedes Jahr um rund 10 bis 15 Mio. Euro gewachsen und haben mit Privilège nun die Basis gelegt, dass wir diese Dynamik weiter halten können – und das bei mittelfristig steigenden Margen.

Financial.de: Bei Privilège sind in den letzten beiden Jahren bereits umfangreiche Umstrukturierungs- und Optimierungsmaßnahmen durchgeführt worden. Wie stehen die Franzosen aktuell operativ da und warum haben Sie die Übernahme gerade jetzt in Angriff genommen?

Dr. Gerhardt: Dank der Optimierungsmaßnahmen steht Privilège bereits kurz vor dem Break-even, die derzeit noch anfallenden monatlichen Verluste sind überschaubar. Das Orderbuch war zum Zeitpunkt des Kaufes schon auf 26 Mio. Euro angewachsen, dies entspricht bei aktueller Fertigungsleistung einer Auslastung von fast zwei Jahren. Risiken sind sicher noch vorhanden, aber gut zu managen. Für uns war dies nun der ideale Zeitpunkt für einen Kauf, da wir zu einem günstigen Preis zuschlagen konnten. Dies wäre zu einem späteren Zeitpunkt, wenn Privilège unter höherer Auslastung wieder sehr profitabel arbeitet, nicht mehr möglich gewesen.
„Das Yachting Festival in Cannes gehört zu den wichtigsten Messen weltweit und hat für uns eine besondere Bedeutung, der wir mit zahlreichen Weltpremieren wie der neuen Fjord 38 gerecht werden.“

Financial.de: Der Katamaran-Markt gilt wie bereits von Ihnen angesprochen als besonders dynamisch wachsendes Segment im Yachtbereich. Warum entscheiden sich immer mehr Käufer für die Katamaran-Variante?

Dr. Gerhardt: Es gibt eine ganze Reihe von Produkteigenschaften, die genau die heutigen Trends treffen: Mehr Platz für Wohnraum, mehr Kabinen für Freunde, Kinder oder Enkelkinder und auch für Tanks und technisches Equipment. Auf einem Katamaran kann man also bequemer wohnen, mehr Freunde einladen, aber alternativ auch autarker ohne Entbehrungen sicher in entlegene Regionen segeln. Dazu kommt noch das stets aufrechte Segeln durch die fehlende Krängung, sprich Seitenneigung, was vielen Kunden gefällt.

Financial.de: Ingenieure von HanseYachts haben bereits an der Entwicklung der jüngsten Privilège-Modelle mitgewirkt. Wie sieht das Privilège-Angebot aktuell aus und was steckt noch in der Pipeline?

Dr. Gerhardt: Privilège hat vor einem Jahr drei neue Modelle gleichzeitig angekündigt. Neue Modelle sind für jede Marke besonders wichtig, denn Innovationen schaffen Märkte. Die Euphorie 5, ein Motor-Katamaran, fährt bereits und Baunummer 2 ist schon weit in der Produktion. Die Privilège Euphorie verbindet die Leichtigkeit der Bedienung eines Motorbootes mit dem Platzangebot eines Katamarans und durch die beiden Rümpfe weist sie zusätzlich noch einen sehr geringen Verbrauch auf. Die Privilège Signature 510 und 580, zwei Segel-Katamarane, befinden sich beide parallel im Bau in Frankreich mit Baunummer 1 und werden im kommenden Jahr zu Wasser gelassen. Sie zeichnen sich durch hohe Seegängigkeit und – trotz typischer eleganter Linienführung – erhöhte Scheibengrößen, also mehr natürlichem Licht, aus.
„Auf einem Katamaran wie der Privilège Signature 580 kann man bequemer wohnen, mehr Freunde einladen, aber alternativ auch autarker ohne Entbehrungen sicher in entlegene Regionen segeln.“

Financial.de: Welche Synergien bietet Ihnen der Privilège-Erwerb?

Dr. Gerhardt: In unserer Branche spielen Economies of Scale eine besondere Rolle, da sich in vielen Bereichen Synergien heben lassen. Im Einkauf sind die Skaleneffekte sicherlich am größten, hier lassen sich durch die Einbindung in die HanseGroup am schnellsten Einsparungen erzielen – aber auch im Verkauf durch den Zugang zu unserem internationalen Händlernetz oder durch attraktivere Plätze auf den Messen. Und Privilège erhält Zugang zu unseren Ingenieuren und Designern, die sich Unternehmen in dieser Größenklasse typischerweise gar nicht leisten können.

Financial.de: Ab dem Geschäftsjahr 2020/2021 gehen Sie „von nennenswerten zusätzlichen Umsatzerlösen sowie einer deutlichen und auch nachhaltigen Verbesserung der Ertragslage aus“. Demnach ist der Privilège-Deal ein wichtiger Faktor beim Erreichen der mittelfristigen EBITDA-Zielmarge von 10 bis 12 Prozent?

Dr. Gerhardt: Ja, ganz klar. Luxusprodukte haben tendenziell höhere Margen und die angesprochenen Skaleneffekte versprechen eine weitere Erhöhung der Konzernprofitabilität. Der Privilège-Deal wird uns aber auch unserem mittelfristigen Umsatzziel von 200 Mio. Euro einen wesentlichen Schritt voranbringen.

Financial.de: Finanziert haben Sie den Privilège-Kauf mit einer kombinierten Sach- und Barkapitalerhöhung. Warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden?

Dr. Gerhardt: Der Kauf der Privilège Marine wurde im Wesentlichen durch die Ausgabe von Aktien zur Tilgung der Schulden gegenüber dem Vorbesitzer finanziert. Den überschaubaren Kaufpreis könnte HanseYachts auch ohne Barkapitalerhöhung leisten, aber den Aktionären soll über die aktuell laufende Barkapitalerhöhung im Verhältnis 9:1 die Chance eröffnet werden, zum gleichen attraktiven Preis von 5,75 Euro je Aktie zu zeichnen wie der Mehrheitsaktionär mittels der Sacheinlage. Ich bin mir sicher, dass unseren Aktionären die Attraktivität des Katamaran-Marktes bewusst ist.

Financial.de: Wie läuft es aktuell bei Ihren anderen Segel- und Motorbootmarken?

Dr. Gerhardt: Auch bei den weiteren Marken der HanseGroup läuft es aktuell gut. Dies zeigt auch ein Blick auf unsere 9-Monatszahlen mit einem Umsatzplus von 11 % auf 94,7 Mio. Euro, einer Ergebnisverbesserung um 4,2 Mio. Euro und einem um knapp 11 % auf 63,9 Mio. Euro angewachsenen Auftragsbestand. Die konsequente Umsetzung unserer Mehrmarkenstrategie sowie die stetige Weiterentwicklung bestehender, aber auch neuer Segel- und Motoryachten bilden dabei die Grundlage unserer Wachstumsdynamik. Entscheidende Wettbewerbsvorteile haben wir durch das besondere Produktdesign unserer Yachten sowie den hohen Individualisierungsgrad.

Financial.de: Welche Boote sind besonders gefragt?

Dr. Gerhardt: Bei Hanse sind derzeit die Modelle 458 und 508 besonders stark gefragt und für 2019 fast ausgebucht. Bei Sealine erfreuen sich die neuen Außenborder-Modelle immer größerer Bekanntheit und finden neue Käuferschichten. Fjord hat zwar neue Wettbewerber bekommen, verzeichnet aber trotzdem oder gerade deswegen als das Original steigende Absätze. Hier sind es mit der Fjord 44 Open und der 52 Open ähnliche Größenklassen wie bei Hanse, die überdurchschnittlich stark nachgefragt werden.

Financial.de: Der globale Konjunkturmotor läuft aber nicht mehr rund, wie schnell können Sie die Kosten im Bedarfsfall bei sinkender Nachfrage herunterfahren?

Dr. Gerhardt: Der mit Abstand größte Kostenblock umfasst die Materialkosten, wobei das Material jedoch auftragsbezogen und just in time geordert wird. Unsere eigentliche Kapazität ist unser Personal und dies in drei unterschiedlichen Ländern: Deutschland und Polen zu etwa gleicher Größe und Frankreich in geringerem Ausmaß. Um flexibel zu bleiben, greifen wir zu einem gewissen Teil auch auf Leiharbeiter und Zeitverträge zurück. Hierdurch könnten wir eine temporäre Nachfrageschwäche abfedern, derzeit kämpfen wir aber wachstumsbedingt eher mit dem Gegenteil und sind stolz, durch unseren guten Ruf bisher unseren Personalbedarf trotz Fachkräftemangel decken zu können.

Financial.de: Mitte September findet das Yachting Festival in Cannes statt. Welche Bedeutung hat diese Messe für HanseYachts und mit welchen Neuheiten werden Sie vor Ort sein?

Dr. Gerhardt: Cannes gehört zu den wichtigsten Messen weltweit und hat dementsprechend auch für uns eine besondere Bedeutung, der wir mit zahlreichen Weltpremieren gerecht werden. So stellen wir in Cannes die Sealine C390 vor, eine Größe, die bei Sealine traditionell zu den wichtigsten gehörte. Das C steht dabei für einen Aufbau, der sehr viel Lebensraum an Deck hinter Glas verspricht, ein sehr Sealine-typisches Feature, das ein Alleinstellungsmerkmal für die Marke ist.

Eine Weltpremiere bietet auch Fjord mit dem neuen Modell Fjord 38. Dies ist unsere kleinste Fjord, die sich durch sehr großen Schatten sowie typische klare Fjord-Linien auszeichnet und auch als Außenborder-Version zur Verfügung steht.

Zudem präsentieren wir in Cannes die neue Dehler 30od als weitere Weltpremiere: Ein 30 Fuß Schiff, welches mit deutlich unter drei Tonnen Gesamtgewicht ein absolut auf Performance getrimmtes Rennboot ist, aber trotzdem einen gewissen Wohnkomfort bietet und zudem zu einem attraktiven Preis angeboten wird. Sie ist konzipiert für Offshore-Regatten mit kleiner Crew und folgt damit dem neuen Trend und könnte auch für Olympia interessant werden. Diese Dehler ist eine One-Design, d. h. sie wird stets identisch gebaut, alle Segel sind festgeschrieben. Wer bei der Regatta vorne liegt, ist daher zwangsläufig der bessere Segler und nicht der mit dem größten Budget.
„Entscheidende Wettbewerbsvorteile haben wir durch das besondere Produktdesign unserer Yachten sowie den hohen Individualisierungsgrad.“ Die neue Sealine C390 gehört zu den Aushängeschildern unter den Motoryachten der HanseYachts AG.

Financial.de: Lassen Sie uns abschließend etwas weiter in die Zukunft blicken: Sie haben das mittelfristige Umsatzziel von 200 Mio. Euro angesprochen. Ist dies mit dem gegenwärtigen Portfolio realistisch oder haben Sie schon die nächste Marke im Visier?

Dr. Gerhardt: Durch den Kauf von Privilège, die neuen Sealine-Modelle, eine neue Fjord und Moody sowie die Dehler One-Design sollten wir unserem Ziel einen guten Schritt näher kommen. Der nächste Schritt ist nun die vollständige Integration von Privilège. Zum Wachstum gehören aber auch der Aufbau von Personal, die Auswahl von Material und Lieferanten, die richtigen Händler und Messen, Marketing und Werbung. In der Vergangenheit haben wir bewiesen, dass wir Marken erfolgreich integrieren können. Wir sind überzeugt davon, dass uns dies auch bei Privilège gelingen wird und sind dann auch bereit, den nächsten Expansionsschritt zu gehen.  

Financial.de: Herr Dr. Gerhardt, besten Dank für das Interview.

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