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Tuesday, May 18, 2021

Management Interview

Dr. Peter Podesser

CEO
CEO
SFC Energy AG

Brennstoffzellen-Spezialist SFC Energy: „Schnelleres Wachstum mit Wasserstoff-Technologie“

Mit dem Einstieg in die Wasserstoff-Technologie erschließt sich die SFC Energy AG, der erste profitable börsennotierte Brennstoffzellenhersteller der Welt, ein besonders dynamisch wachsendes Segment. „Mittelfristig ist das Marktvolumen für Wasserstoff-Brennstoffzellen noch größer als im Direkt-Methanol-Bereich. Zivile Massenanwendungen könnten sich dabei zu einem echten Wachstumsbooster entwickeln“, ist SFC-Vorstandschef Dr. Peter Podesser überzeugt. Positive Impulse sollen nicht nur eine neue Generation von Brennstoffzellen und die regionale Expansion liefern, auch Akquisitionen spielen in den SFC-Planungen eine Rolle.
Financial.de sprach mit CEO Dr. Podesser zudem über die aktuelle Euphorie für Brennstoffzellen-Aktien, die geplante Kapitalmaßnahme und das mittelfristige Umsatzziel von 100 Mio. Euro.

Herr Dr. Podesser, Brennstoffzellen-Aktien sind derzeit stark gefragt an den Börsen weltweit. Ist diese Euphorie aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

Dr. Peter Podesser: Diese Euphorie kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen 18 bis 24 Monaten haben wir im Zuge einer entscheidenden Veränderung des gesellschaftlichen und politischen Umfelds auf breiter Front eine wahre „Renaissance“ der Brennstoffzelle erlebt. Diese saubere und effiziente Möglichkeit, elektrische Energie zu erzeugen, wird wieder als valide Alternative zu konventionellen Technologien der Energieerzeugung wahr- und ernstgenommen. Dabei begünstigen und beflügeln wesentliche Makro-Trends wie die notwendige CO₂-Reduktion oder die Digitalisierung im Bereich Defense & Security die Nachfrage nach Brennstoffzellen weltweit. Diese Situation spiegelt sich auch in einem zunehmenden Interesse des Kapitalmarktes wider.

Warum hat sich SFC Energy für eine Hybrid-Produktstrategie entschieden?

Dr. Peter Podesser: Neben der Dekarbonisierung ist besonders in hochentwickelten Ländern ein Trend zu zunehmend dezentraler Energiegewinnung verbunden mit voranschreitender Digitalisierung festzustellen. Beides erfordert nachhaltige, saubere und verlässliche Energiekonzepte – und diese bietet SFC Energy. Mit unserem Hybridansatz sind wir auch deshalb erfolgreich, weil wir nicht versuchen, bestehende Technologien zu verdrängen, sondern die Vorteile der diversen Energielieferanten wie Batterien, Solarzellen und Brennstoffzellen durch Hybridisierung in idealer Weise kombinieren. Für unsere Kunden hat dieser Ansatz den Vorteil, dass sie ihre bestehende Infrastruktur durch das Hinzufügen der Komponente Brennstoffzelle effizienter und auch umweltfreundlicher nutzen können.

SFC Energy proklamiert für sich, der erste profitable börsennotierte Brennstoffzellenhersteller der Welt zu sein. Wie haben Sie dies erreicht?

Dr. Peter Podesser: SFC hat sich sehr früh bei führenden Verteidigungsorganisationen und auch im zivilen Sicherheitsmarkt als Technologielieferant etabliert und profitiert nun von dieser Pionierarbeit. Wir haben uns in den letzten 15 Jahren mit Technologie- und Qualitätsführerschaft sowie der angesprochenen fokussierten Hybrid-Produktstrategie mit dem Angebot leistungsstarker, flexibler Komplettsysteme darauf konzentriert, die Kommerzialisierung von Brennstoffzellen-Lösungen in ausgewählten Märkten wirtschaftlich sinnvoll zu ermöglichen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Überschreiten der operativen Gewinnschwelle im Jahr 2017 war dabei neben den Alleinstellungsmerkmalen unseres Produktangebots sicherlich auch unser standardisierter Plattformansatz. Mit über 40.000 verkauften Brennstoffzellen seit der Gründung im Jahr 1999 hat sich SFC zu einem in Deutschland ansässigen Global Player mit nachgewiesenem kommerziellen Erfolg entwickelt.

SFC hat sich einen Namen gemacht als führender internationaler Anbieter von Direkt-Methanol-Brennstoffzellen („DMFC“). Was ist das Besondere an dieser Technologie und wo liegen deren wesentlichen Vorteile?

Dr. Peter Podesser: Wir haben als weltweit erstes Unternehmen kommerzielle Serienprodukte im Bereich von Direkt-Methanol-Brennstoffzellen (DMFC) auf den Markt gebracht und uns in diesem Bereich mit unserer Technologieführerschaft einen Vermarktungsvorsprung geschaffen. Mit Methanol verwenden wir einen hochenergetischen flüssigen Treibstoff, der sich aufgrund seiner Eigenschaften wie einer sicheren Distribution in vielen Anwendungen im niedrigen bis mittleren Leistungsspektrum durchgesetzt hat. Ein wichtiger Faktor war der erfolgreiche Aufbau eines globalen Methanol-Vertriebsnetzes, so ist es auch in entlegenen Regionen Alaskas und Südostasiens kein Problem, die Versorgung vor Ort zu gewährleisten. Weitere wichtige Produktvorteile sind die Laufruhe, geringes Gewicht, geringe Umweltbelastung sowie hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit.
„Mit über 40.000 verkauften Brennstoffzellen seit der Gründung im Jahr 1999 hat sich SFC zu einem in Deutschland ansässigen Global Player mit nachgewiesenem kommerziellen Erfolg entwickelt“, so Dr. Podesser.

Und wie wollen Sie Ihren Wettbewerbsvorsprung verteidigen?

Dr. Peter Podesser: Als ein Branchenpionier haben wir uns erfolgreich ein globales und gut diversifiziertes Portfolio mit namhaften und loyalen Kunden (einschließlich staatlicher Stellen) aufgebaut. Neben der langjährigen Erfolgsgeschichte der eigenen Produktentwicklung und neuer Innovationen bilden diese etablierten Kundenbeziehungen die Grundlage für hohe Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber. Unseren Technologievorsprung wollen wir dabei u. a. mit der Entwicklung der nächsten EFOY-Generation, die die Betriebszeit zu niedrigeren Kosten verlängert, halten.

Besonders dynamisch hat sich zuletzt das Segment „Defense & Security“ entwickelt. Was sind die Gründe dafür und wie nachhaltig schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Dr. Peter Podesser: Die angesprochene Veränderung des geopolitischen Umfelds und ein steigendes Bedürfnis nach Sicherheit haben zu erheblichen Erhöhungen von staatlichen, aber auch zivilen Ausgaben in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung geführt. Insbesondere die Nachfrage nach Systemen im Bereich der Bilderkennung und Datenübertragung steigt kontinuierlich. Als einziger zertifizierter Brennstoffzellenlieferant der NATO-Streitkräfte stattet SFC dabei sowohl Soldaten als auch leichte taktische Fahrzeuge mit Brennstoffzellenlösungen aus. Sowohl national als auch international rechnen wir – nicht nur aufgrund des Megatrends Digitalisierung von Soldat und Gefechtsfeld – mit einem weiteren nachhaltigen Anstieg der Nachfrage nach sauberer, netzferner und schwer detektierbarer Energieversorgung. Aufgrund dieses positiven und wenig konjunktursensitiven Marktumfeldes erwarten wir auf Sicht eine sehr wachstums- und vor allem ertragsstarke Entwicklung des Segments Defense & Security.

Wie abhängig sind Sie dabei von Ihrem Großkunden Bundeswehr?

Dr. Peter Podesser: Die Abhängigkeit vom Großkunden Bundeswehr war in der Vergangenheit durchaus gegeben. Durch die zunehmenden internationalen Vertriebserfolge im Defense-Bereich sind wir aktuell breiter aufgestellt und haben eine bessere Balance zwischen nationalem und internationalem Geschäft. Dies zeigt auch der Geschäftsverlauf im ersten Quartal 2019, in dem wir aufgrund von Folge- und Neuaufträgen mit Kunden in Israel und Indien eine Vervierfachung der Umsätze im internationalen Geschäft verzeichnen konnten.  

Parallel zum bestehenden Produktportfolio haben Sie im November 2018 mit dem Abschluss einer Entwicklungspartnerschaft und Lizenzvereinbarung mit der adKor GmbH den Einstieg in den Bereich Wasserstoffbrennstoffzellen bekannt gegeben. Was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?

Dr. Peter Podesser: Mit dem Einstieg in die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie haben wir ein neues Kapitel in der Unternehmensentwicklung von SFC aufgeschlagen. Die Kooperation mit adKor ermöglicht uns Zugang zu einer Technologie, die auf 30 Jahren Brennstoffzellenerfahrung basiert und die uns neue Märkte eröffnet, u. a. in den Bereichen kritische Infrastrukturen, Back-up-Anwendungen in der Telekommunikation und auch saubere Mobilität. Mit diesem Schritt komplementieren wir nicht nur unser Produktportfolio, mittelfristig werden wir mit der Wasserstofftechnologie unser Leistungsspektrum auf bis zu 100 kW erweitern, einem Segment, das zukünftig besonders hohe Wachstumsraten verspricht.

Welche Anwendungen wollen Sie mit Wasserstoff-Brennstoffzellen im ersten Schritt abdecken?

Dr. Peter Podesser: Einen wichtigen Meilenstein in der Kommerzialisierung haben wir bereits erreicht. Die gemeinsam von SFC Energy und adKor entwickelte Energielösung auf Basis der Jupiter Wasserstoffbrennstoffzelle wurde in umfangreichen Tests beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR technisch qualifiziert für den Outdoor-Einsatz in Telekom- und BOS-Digitalfunkanlagen. In diesem Markt sehen wir großes Potenzial für die Brennstoffzelle dank ihrer überdurchschnittlichen Betriebssicherheit sowie ihrer Kosten- und Logistikvorteile gegenüber konventionellen Stromversorgungslösungen. Bereits im zweiten Halbjahr werden wir mit der Produktion in Brunnthal starten. Zudem wird uns die aktuelle Produktqualifizierung den Weg in noch weitere anspruchsvolle Industrieanwendungen bahnen.

Könnten Sie uns bitte Ihre mittelfristigen Erwartungen an die Wasserstofftechnologie skizzieren?

Dr. Peter Podesser: Mittelfristig ist das Marktvolumen für Wasserstoff-Brennstoffzellen noch größer als im DMFC-Bereich. Zivile Massenanwendungen könnten sich dabei zu einem echten Wachstumsbooster entwickeln. Experten gehen davon aus, dass der globale Brennstoffzellenmarkt zwischen 2017 und 2024 mit einer Wachstumsrate von 20 % zulegen wird, von denen fast 50 % von Wasserstoff-Brennstoffzellen mit Leistungen von bis zu 100kW dominiert werden. In diesem attraktiven Umfeld wollen wir schrittweise in den Wasserstoff-Brennstoffzellenmarkt für kritische Infrastruktur- und Notstromanwendungen und langfristig auch für E-Mobilitätsanwendungen vordringen. In der Elektromobilität sehen wir uns als einen exzellenten, möglichen Technologielieferanten und -partner. Erste Gespräche in diesem Bereich laufen bereits.
SFC-CEO Dr. Podesser: „In der Elektromobilität sehen wir uns als einen exzellenten, möglichen Technologielieferanten und -partner. Erste Gespräche in diesem Bereich laufen bereits.“

Zur Wachstumsfinanzierung planen Sie eine Kapitalerhöhung im zweistelligen Millionenbereich. Wie würden Sie die zufließenden Gelder konkret einsetzen?

Dr. Peter Podesser: Ein wesentlicher Punkt ist die Beschleunigung des organischen Wachstums in unseren derzeitigen Kernmärkten. Mit einer neuen Generation von Brennstoffzellen in Verbindung mit der geografischen Expansion und dem Ausbau des Geschäfts mit bestehenden Kunden sehen wir große Vertriebschancen. Ebenso auf unserer Agenda steht die Einführung von Wasserstoff-Brennstoffzellenanwendungen und die damit verbundene Erschließung neuer bedeutender Zielmärkte. Und nicht zuletzt wollen wir für die Realisierung selektiver Akquisitionen und Investitionen gewappnet sein.

Apropos Akquisitionen: In welchen Bereichen würden Sie sich gerne verstärken? Und müssen Sie nicht befürchten, dass Ihnen der aktuelle Brennstoffzellen-Hype die Kaufpreise bei möglichen Akquisitionen verdirbt?

Dr. Peter Podesser: Beim anorganischen Wachstum steht für uns der Zugang zu neuen Regionen und Märkten sowie die Erweiterung des technologischen Know-hows im Zentrum. Akquisitionen könnten aber auch der Erweiterung unserer Systemkapazitäten wie auch der Ergänzung des Geschäfts durch neue Ertragsmodelle, z. B. Leasing oder datenbasierte Geschäftsmodelle, dienen. Eine Übernahme werden wir nur dann realisieren, wenn neben dem technologischen Fit auch der Kaufpreis stimmt.

Blicken wir auf das laufende Geschäftsjahr: Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die zweite Jahreshälfte?

Dr. Peter Podesser: Das Segment Defense & Security ist traditionell durch ein starkes Jahresendgeschäft gekennzeichnet; diese Erwartung haben wir auch für 2019. Die anhaltende Dynamik im Makroumfeld, wie auch in Einzelmärkten, stimmt uns zuversichtlich für die zweite Jahreshälfte. Insofern sind wir optimistisch, das Gesamtjahr 2019 mit einem weiteren Umsatzwachstum auf 67 bis 74 Mio. Euro und einer Steigerung des bereinigten EBIT auf 3,5 bis 6,0 Mio. Euro abschließen zu können.

Mitte Mai hat der Aufsichtsrat Ihren bis März 2020 laufenden Vorstandsvertrag vorzeitig bis März 2024 verlängert. Welche Ziele haben Sie sich in den kommenden fünf Jahren mit der SFC Energy AG gesetzt?

Dr. Peter Podesser: Unser mittelfristiges Ziel ist es, in den nächsten drei bis vier Jahren die Marke von 100 Mio. Euro beim Konzernumsatz zu überschreiten und auf der Ergebnisseite dabei die bereinigte EBITDA-Marge auf ein Niveau von deutlich über 10 % zu heben. Dies wollen wir mit bestehen Produkten in bestehenden Märkten erreichen, das ist bildlich gesprochen die „Pflicht“. Die „Kür“ ist eine Wachstumsbeschleunigung durch die Ausweitung unserer Aktivitäten mit Wasserstoff-Brennstoffzellen auf attraktive Massenmärkte. Dazu gehört auch die regionale Expansion mit Fokus auf die bedeutenden Märkte USA, Indien und China. Unser Kernziel ist es, unsere Position als ein führender und profitabler Brennstoffzellenhersteller weltweit zu verteidigen. Die Grundlagen dafür haben wir gelegt.

Herr Dr. Podesser, vielen Dank für das Interview!