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Thursday, May 23, 2019

Management Interview

Dr. Wolfgang Trier

Vorstandsvorsitzender
Vorstandsvorsitzender
Softing AG

„Das Globalmatix-Geschäft wird hochprofitabel“

Durchbruch für Globalmatix: Die 100%-Tochter der Softing AG hat einen deutschen Automobilkonzern als Großkunden gewonnen. „Die Umsätze werden für eine drei- bis vierjährige Laufzeit der Fahrzeuge je 50.000 angeschlossene Fahrzeuge zwischen 10 und 15 Mio. Euro liegen“, verrät Softing-CEO Dr. Wolfgang Trier im Interview mit Financial.de. Die hohe Skalierbarkeit der Leistungen soll Softing dem mittelfristigen Ziel einer zweistelligen EBIT-Marge näher bringen. Die aktuelle Prognose für 2019 sieht Dr. Trier angesichts des starken Auftragsbestands als konservativ. Financial.de sprach mit dem Softing-CEO zudem über die gute Auftragslage im Automotive-Bereich, die erwartete Umsatzverdopplung in China und die Risiken der US-Politik.

Herr Dr. Trier, im ersten Quartal 2018 hat Softing Globalmatix übernommen, den Betreiber einer Telekommunikations- und Telematikplattform. Am Montag hat Globalmatix nun einen Großauftrag von einem deutschen Automobilkonzern vermeldet. Was genau umfasst dieser Abschluss?

Dr. Wolfgang Trier: Der am Montag gemeldete Vertrag hat eine Laufzeit von zunächst fünf Jahren und regelt in vielen Details die Konditionen, zu denen Globalmatix für unseren Großkunden Daten aus Fahrzeugen von dessen Kunden in eine geschützte Cloud einstellt – diese Daten dienen sowohl der Flottensteuerung wie auch der Fernüberwachung von Fahrzeug und Motor. Unser Großkunde verarbeitet diese bis zu 140 unterschiedlichen Einzeldaten pro Fahrzeug zu komplexen Aussagen wie Fahrzeugzustand, elektronischen Fahrtenbüchern, Flottensteuerungen etc. und verkauft diese Leistungen an seine Endkunden. Die Technik und die Prozesse hierfür sind auf mehrere hunderttausend angeschlossene Fahrzeuge abgestimmt.

Gibt es feste Umsatzgrößen, die heute schon vereinbart sind?

Dr. Wolfgang Trier: Es gibt keine Zusagen für die Abnahme fester Kontingente, jedoch sind wir für diese Leistungen für unseren Großkunden der einzige Lieferant von Daten dieser Art und Qualität. Wir rechnen daher mit einer niedrigen bis mittleren sechsstelligen Anzahl von Fahrzeugen, die in den nächsten Jahren von Globalmatix an das System angeschlossen werden. Das Geschäft wird sich, beginnend mit der Vermarktung durch unseren Großkunden im Spätsommer 2019, kontinuierlich aufbauen. Wir rechnen im laufenden Jahr noch mit einem langsamen Aufbau, der dann zunehmend schneller erfolgen wird. Die Umsätze werden je nach Abrechnungsmodell und Umfang der Daten für eine drei- bis vierjährige Laufzeit der Fahrzeuge je 50.000 angeschlossene Fahrzeuge zwischen 10 und 15 Mio. Euro liegen.

Können Sie sich mit Ihren Leistungen von Wettbewerbern differenzieren?

Dr. Wolfgang Trier: Eine wesentliche Stärke der Globalmatix-Lösung ist es, dass wir die Daten auch bei markengemischten Flotten erheben können, wie sie in fast allen großen Leasingpools, Fuhrparks oder bei Autovermietern vorkommen. Ferner erfassen wir die Daten mit einer manipulationssicher verbauten Elektronik statt mit billigen Aufsteck-Dongels. Diese werden in der Branche nicht sehr geschätzt, da sie etwa bei missbräuchlicher Fahrzeugnutzung vom Fahrer jederzeit entfernt werden können. Auch waren wir von mehr als zehn getesteten Lieferanten der einzige, der einen über den gesamten Datenerfassungsweg angelegten Penetrationstest bestanden hat. In mehreren Monaten konnte die von uns verwendete Lösung nicht gehackt werden.
„Wir sehen sehr gute Chancen, bei laufenden Ausschreibungen mit Globalmatix weitere Erfolge zu feiern“, zeigt sich Softing-CEO Dr. Trier optimistisch.

Globalmatix nimmt an mehreren weiteren Ausschreibungen teil, die über die Auftragszeiträume Umsatzpotenzial in jeweils 7-stelliger Größe bieten. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie dabei auch zum Zuge kommen werden und wo sehen Sie weiteres Potenzial für dieses Geschäft?

Dr. Wolfgang Trier: Wir sehen sehr gute Chancen, bei laufenden Ausschreibungen weitere Erfolge zu feiern. Zudem ist unsere Akquise-Pipeline derzeit noch allein auf Fahrzeuge fokussiert. Zukünftig werden wir dieses Geschäft breiter aufstellen. Grundsätzlich sind für uns alle Anwendungen interessant, bei denen dezentral operierende oder aufgestellte Einheiten zu geringen monatlichen Kosten über Mobilfunk an eine zentrale Instanz angebunden werden sollen. Unsere Kunden legen sich mit der Auswahl des Partners zur Datenerhebung auf Jahre fest. Ohne diese Daten können sie ihre Leistungen nicht erbringen. Daher wird im Vorfeld mit Piloten ausgiebig getestet. So braucht es zwischen Abschlüssen und dem Ramp-up in signifikante Stückzahlen in unserem Geschäft meist mehr als ein Jahr.

Ab wann wird Globalmatix voraussichtlich schwarze Zahlen schreiben und wie margenstark ist dieses Geschäft?

Dr. Wolfgang Trier: Aufgrund der Aufbauleistungen erwarten wir nachhaltig schwarze Zahlen ab dem Jahr 2020. Die Stärke des Geschäftsmodells liegt in der hohen Skalierbarkeit der Leistungen sowie in den jährlich wiederkehrenden Zahlungsströmen und der damit verbundenen hohen Visibilität. Sobald man über den Fixkosten liegt, wird das Geschäft hochprofitabel. Dies wird Softing helfen, die aus anderen Segmenten kommende Zyklizität bei Umsatz und Ertrag abzuschwächen.

Kommen wir zum aktuellen Geschäftsverlauf: Im ersten Quartal sind Sie „erwartungsgemäß in fast allen Kenngrößen erfreulich stark in das neue Jahr gestartet“. Zu Jahresbeginn hat Softing mehr Aufträge denn je in seiner Firmengeschichte verbucht. Woher kamen diese positiven Impulse?

Dr. Wolfgang Trier: Die stärksten Auftragseingänge haben wir aktuell im Segment Industrial. Hier kommt die derzeit starke Konjunktur bei unseren Kunden, insbesondere in den USA, zusammen mit Produkten, von denen wir einige in den letzten 18 Monaten sehr konsequent auf die Anforderungen von Großkunden zugeschnitten haben. Allerdings trägt auch der Automobilsektor hierzu bei, wenngleich wir einen Großteil dieser Auftragseingänge aus Fertigungs- und Kapazitätsgründen erst im zweiten Halbjahr 2019 werden abarbeiten können.
Softing-CEO Dr. Trier hat ehrgeizige Ziele: „Es soll aus heutiger Sicht nicht vermessen klingen, aber eine zweistellige EBIT-Marge ist und bleibt die Zielgröße unseres Handelns.“

Trotzdem war das EBIT im ersten Quartal deutlich rückläufig, was auf geringere Nettoaktivierungen und einen schwächeren Produktmix zurückzuführen ist. Könnten Sie uns bitte die Hintergründe dieser beiden Effekte erläutern?

Dr. Wolfgang Trier: Das erste Quartal ist bei Softing nach wie vor traditionell schwach auf der Ergebnisseite. Die Veränderungen gegenüber dem Vorjahresquartal bewegen sich für uns im normalen Rauschen und haben keine Prognosekraft. Den Rückgang der Nettoaktivierungen sehen wir als einen normalen Prozess. Gerade im Segment Automotive haben wir in den vergangenen Jahren umfangreiche Entwicklungen gestartet, die nun mit Vorlage der Produkte weitgehend abgeschlossen wurden. Der Produktmix schwankt immer wieder, ohne dass dadurch auf längere Frist Nachteile entstehen. Wir steuern dem entgegen, indem wir Produkte mit dem Potenzial der Nachlizenzierung entwickelt haben. So erwarten wir, dass künftig mehr Kunden die Chance auf Nachkauf von Funktionen nutzen und so einen hohen Beitrag zur Marge liefern.

Erwarten Sie auch für die kommenden Quartalen eine rückläufige EBIT-Marge oder war das lediglich ein temporärer Effekt?

Dr. Wolfgang Trier: Dies war klar ein temporärer Effekt, wir erwarten kein dauerhaftes Abrutschen der Margen – im Gegenteil.

Auch für das Segment Automotive berichten Sie von einer „guten Auftragslage“. Inwiefern ist Softing von den aktuellen Turbulenzen im Automobilsektor betroffen?

Dr. Wolfgang Trier: Derzeit ist Softing hiervon nicht betroffen. Die Nachfrage nach den modernen Diagnose 4.0-Leistungen kompensiert etwaige Budgetkürzungen. Sollte es jedoch zu einem länger anhaltenden Einbruch im Automotive-Segment kommen, wird sich auch Softing dem nicht komplett entziehen können. Wir halten sowohl mit inhaltlicher und regionaler Diversifikation dagegen als auch mit dem anlaufenden Globalmatix-Geschäft. Zudem spielt uns auch der Nachholbedarf der chinesischen Hersteller bei modernen Entwicklungs- und Diagnoselösungen in die Karten. Hier erwartet unsere im letzten Jahr gegründete Unternehmenstochter in Shanghai in 2020 eine Verdopplung des Volumens auf 2 Mio. Euro. Wenn uns die Politik keine Blockaden aufbürdet, sehe ich derzeit keinen Grund, warum sich das China-Geschäft in 2021 nicht erneut verdoppeln sollte. Das Interesse an unseren Produkten war auf der letzten Roadshow bei chinesischen Herstellern, Mitte Mai, ungebrochen.

Im Segment Industrial profitierte Softing im vergangenen Jahr von einer deutlich gestiegenen Nachfrage bei der Prozess- und Fabrikautomatisierung. Hat sich dieser Effekt konjunkturbedingt etwas abgekühlt?

Dr. Wolfgang Trier: Nein, gerade bei der Prozessautomatisierung sehen wir mit neuen Produkten und engen Kontakten zu Großkunden weiteres Wachstumspotenzial. Dennoch bleiben wir realistisch und vorsichtig: Massive Änderungen in der wirtschaftlichen Gesamtlage würden auch an uns nicht spurlos vorübergehen.

Sie haben hohe Erwartungen an die zweite Jahreshälfte 2019. Was macht Sie – neben dem starken Auftragseingang – so optimistisch?

Dr. Wolfgang Trier: Im Industriebereich sehen wir großes Kundeninteresse bei einigen Neuprodukten. Hier erwarten wir Nachbestellungen im zweiten Halbjahr. Im Segment Automotive werden weitere Produktvarianten ab September zur Auslieferung kommen. Wichtige Neuprodukte bei IT Networks stehen erst seit Anfang des Jahres zur Verfügung und kommen damit im dritten und mehr noch im starken vierten Quartal erstmals in die volle Umsatzwirkung. Dazu kommt der Auftragsbestand, der nahezu komplett in die zweite Jahreshälfte läuft.

Sie sind „mit einer Portion Vorsicht“ bei der Prognose eines Auftragseingangs und eines Jahresumsatzes von jeweils mehr als 88 Mio. Euro bei einem Ergebnis (EBIT) von mehr als 4 Mio. Euro für 2019 geblieben. Wie konservativ ist diese Zielsetzung?

Dr. Wolfgang Trier: Sie ist konservativ und berücksichtigt konjunkturelle Unsicherheiten. Man muss nur einmal in die Tageszeitung schauen, um zu erkennen, dass die politisch motivierten Unsicherheiten derzeit weit über dem Normalmaß liegen. Softing bewegt sich auf 40 Mio. Dollar sehr rentablen Umsatz in den USA zu. Damit ist klar, dass – mit welchem Unverständnis auch immer – wir politisch motivierten Restriktionen der US-Politik folgen müssten. Zudem wird Globalmatix erst ab 2020 seine erwarteten signifikanten EBIT-Beiträge liefern können.

Eine EBIT-Marge von unter 5 % kann nicht Ihr Anspruch sein. Welche Zielsetzung haben Sie für die weitere Margenentwicklung?

Dr. Wolfgang Trier: Es soll aus heutiger Sicht nicht vermessen klingen, aber eine zweistellige EBIT-Marge ist und bleibt die Zielgröße unseres Handelns. Diese wollen wir schrittweise erreichen.

Wenn man den Kursverlauf der Softing-Aktie zugrunde legt, zeigt sich, dass viele Anleger diesen Perspektiven noch zurückhaltend gegenüberstehen. Mit welchen Argumenten wollen Sie neue Investoren für Softing gewinnen?

Dr. Wolfgang Trier: Es wird immer klarer erkennbar, dass wir uns strategisch überlegt aufgestellt haben und dies taktisch durch neue Produkte, verbesserte Geschäftssysteme und regional breitere Abdeckung in Geschäft umsetzen. Daraus ergibt sich ein großes Potenzial zum Wachstum und zur Verbesserung der Margen. Ich bin überzeugt, dass Investoren dies sehen und verstehen werden.

Herr Dr. Trier, vielen Dank für das Gespräch.

Haftungsausschluss/Disclaimer: Das Interview wurde von financial.de im Auftrag und auf Veranlassung des Kunden geführt. Es dient ausschließlich zu Informationszwecken und ist keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Die darin getroffenen Aussagen spiegeln die Meinung des Interviewten wider, die nicht notwendigerweise der Meinung der Redaktion entspricht. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen sowie für Vermögensschäden wird daher keinerlei Haftung übernommen.